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Die Lehre vom Überrest: Eine andere Perspektive auf die Gemeinde und Israel

Historisch betrachtet gibt es zwei Haupttheorien in Bezug auf die Beziehung zwischen der Gemeinde und Israel. Die sogenannte Substitutionstheologie besagt, dass die Gemeinde das Volk Israel ersetzt hat. Israel ist von da an als Bundesvolk verworfen und hat in der Zukunft keinen Anteil mehr an der Erlösung. Die zweite Theorie gehört zum Konzept des Dispensationalismus. Sie nimmt eine grundsätzliche Trennung zwischen der Gemeinde und Israel an, die durch alle Zeiten hindurch bestehen bleibt, obwohl Jahuwah*(1) auch eine Zukunft für Israel bereithält. Die zwei Gruppen haben also nichts mit einander zu tun; es gibt keine Überschneidung zwischen ihnen.

Könnte es sein, dass beide dieser weitverbreiteten Annahmen verkehrt sind? Gibt es vielleicht einen Mittelweg, auf dem die Wahrheit zu finden ist?

Richtige und falsche Abgrenzungen

Wenn man über die Gemeinde und Israel spricht, sollte man zunächst feststellen, dass die Bibel nur selten Parallelen zwischen Israel als Nation und der Gemeinde zieht. Als mögliche Ausnahmen wären dabei Matthäus 23,39 und Römer 11,26 zu nennen. In der Heiligen Schrift ist mit “Israel” meistens das Volk der Israeliten gemeint und keine “geistliche Einheit“. In diesem Volk gibt es, wie in anderen Nationen auch, Erlöste und Ungläubige. Wenn die Bibel aber von Israel als einer “geistlichen Einheit“ spricht, bezieht sie sich auf den Überrest Israels. (Das wiederum bringt uns zu der Frage, ob es einen Unterschied zwischen diesem Überrest und der Gemeinde gibt. Aber darauf werden wir noch eingehen.)

Gebt weder den Juden noch den Griechen noch der Gemeinde Jahuwahs einen Anstoß, so wie auch ich in allen Stücken allen zu Gefallen lebe und nicht meinen Nutzen suche, sondern den der vielen, damit sie gerettet werden.“ (1. Korinther 10,32-33; Markierung hinzugefügt.)

Diese Passage wird oft benutzt, um zu bekräftigen, dass Israel und die Gemeinde zwei gegensätzliche Gruppen bilden. Aber genau das sagt der Text gar nicht aus. Der unmittelbare Kontext weist uns darauf hin, dass sich der Begriff „Juden“ hier auf ungläubige Juden bezieht, der Begriff „Griechen“ auf ungläubige Griechen und der Begriff „die Gemeinde Jahuwahs“ auf die Erlösten (Juden, Griechen usw.). Diese Passage harmoniert also mit dem Rest der Bibel hinsichtlich der Tatsache, dass 1) zwischen Juden und Heiden unterschieden wird und 2) zwischen Erlösten und Ungläubigen. Außerdem stimmt sie mit den übrigen Texten dahingehend überein, dass sie keine Trennung zwischen Israel als Nation und der Gemeinde vornimmt. Denn das wäre ein kategorischer Fehler.

Warum also wollen Leute Israel als Nation durch die Gemeinde ersetzen oder Israel und die Gemeinde trennen? Nun, es gibt drei Probleme.

Problem Nr. 1: Viele setzen die Begriffe “Gemeinde“ und “Heiden/Nichtisraeliten“ gleich, obwohl die Gemeinde aus Israeliten und Angehörigen anderer Völker besteht (Epheser 3,6).

Problem Nr. 2: Viele setzen die Begriffe „Israel“ und „Juden“ gleich. Auch das widerspricht der Bibel. Denn in Epheser 2 erfahren wir in den Versen 12 und 19, dass Angehörige anderer Völker Mitglieder Israels werden.

Problem Nr. 3: Meistens achten die Leute nicht darauf, zwischen Israel als Nation und dem Überrest Israels zu unterscheiden. Dabei trennt die Bibel beide Gruppen (Römer 9,6-8; 11,1-7).

Die Sachlage ist gar nicht so eindeutig, wie die Leute es gern hätten. Es gibt hier nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Grauzonen, die es zu untersuchen und zu verstehen gilt. Das Wort “Gemeinde” bezeichnet nicht nur Heiden bzw. Nichtisraeliten. Das Wort “Israel“ bezieht sich auch nicht immer nur auf Juden. Und außerdem gibt es in theologischer Hinsicht einen bedeutender Unterschied zwischen der israelischen Nation und dem „Überrest Israels“.

Woraus besteht die Gemeinde?

Die Gemeinde ist die Gesamtheit aller jüdischen und nichtjüdischen Menschen, die aus der Welt herausgerufen worden sind und den geistlichen Leib Christi bilden (Epheser 5,23; Kolosser 1,18; 1. Korinther 12,13). Die Mitglieder der Gemeinde sind durch den heiligen Geist und den Messias miteinander verbunden. Von ihnen heißt es, dass sie „in Christus sind“ (Römer 8,1; 2. Korinther 5,17; Epheser 1,13).

Wenn nun aber Jahuwah, da er seinen Zorn erweisen und seine Macht offenbar machen wollte, mit großer Langmut die Gefäße des Zorns getragen hat, die zum Verderben zugerichtet sind, damit er auch den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit erzeige, die er zuvor zur Herrlichkeit bereitet hat? Als solche hat er auch uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden; wie er auch durch Hosea spricht: »Ich will das ›mein Volk‹ nennen, was nicht mein Volk war, und die ›Geliebte‹, die nicht Geliebte war.“ (Römer 9,22-25; Markierung hinzugefügt.)

Einerseits gehören zur Gemeinde Juden, die aus den Nationen und auch geistlich aus dem ungläubigen Israel herausgerufen worden sind. Andererseits gehören zur Gemeinde auch “Heiden”, die geistlich aus den Nationen herausgerufen worden sind, um den Elohim (Gott) Israels anzubeten.

Diese beiden herausgerufenen Gruppen bilden ein einziges, geistliches Volk, das als „Gemeinde“ [= Ekklesia = die Herausgerufene] bezeichnet wird. Die Mitglieder dieses Volkes sind durch den Glauben gerettet, ganz nach dem Muster und Beispiel ihres geistlichen Vaters Abraham (Römer 4,11). Während also einige Gemeindemitglieder von der Abstammung her Israeliten sind, gehören alle Gemeindemitglieder zum geistlichen Israel. Sie sind am Herzen beschnitten worden (Römer 2,29); sie sind Kinder Abrahams (Römer 4,16) und Bürger Israels (Epheser 2,12, 19).

Woraus besteht Israel?

Der Begriff Israel hat viele Bedeutungen. Sehr oft ist damit die Nation Israel gemeint, deren Angehörige leibliche Nachkommen Jakobs bzw. Israels sind. Außerdem können damit Nachkommen Jakobs gemeint sein, die nicht auf den Ruf Jahuwahs reagiert haben (Römer 9,31; 11,7). Und schließlich können damit die „Übrigen Israels“ gemeint sein, die auf die Verheißungen Jahuwahs vertrauen.

Nicht aber, dass das Wort Jahuwahs nun hinfällig wäre! Denn nicht alle, die von Israel abstammen, sind Israel; auch sind nicht alle, weil sie Abrahams Same sind, Kinder“. (Römer 9,6-7a; Markierung hinzugefügt.)

Leibliche Nachkommen Abrahams besitzen zwar gewisse Vorteile (Römer 3,1-2), gehören allerdings nicht automatisch zu den geistlichen Kindern Abrahams (Römer 2,28-29; Johannes 8,39; Matthäus 3,9). „Denn nicht alle, die von Israel abstammen, sind Israel“. Ein Mensch kann von der leiblichen Abstammung her zur Nation Israel gehören, ohne dabei Teil des Überrests Israels zu sein. Es gibt also ein Israel innerhalb Israels. Innerhalb der israelischen Nation gibt es eine Gruppe von Menschen, die geistliche Kinder Abrahams sind und damit zum Überrest Israels gehören.

Wenn Nichtjuden durch den Glauben an Jahushua*(2) geistliche Nachkommen Abrahams werden, zählen auch sie zu dieser Untergruppe, zum Überrest Israels. Dass gläubig gewordene Heiden zu diesem Überrest gehören, wird in dem Gleichnis vom Ölbaum gezeigt, das Paulus benutzt:

Wenn aber die Erstlingsgabe heilig ist, so ist es auch der Teig, und wenn die Wurzel heilig ist, so sind es auch die Zweige. Wenn aber etliche der Zweige ausgebrochen wurden und du als ein wilder Ölzweig unter sie eingepfropft bist und mit Anteil bekommen hast an der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaums, so überhebe dich nicht gegen die Zweige! Überhebst du dich aber, so bedenke: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich!

 

Nun sagst du aber: »Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft werde«. Ganz recht! Um ihres Unglaubens willen sind sie ausgebrochen worden; du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich! Denn wenn Jahuwah die natürlichen Zweige nicht verschont hat, könnte es sonst geschehen, dass er auch dich nicht verschont. So sieh nun die Güte und die Strenge Jahuwahs; die Strenge gegen die, welche gefallen sind; die Güte aber gegen dich, sofern du bei der Güte bleibst; sonst wirst auch du abgehauen werden! Jene dagegen, wenn sie nicht im Unglauben verharren, werden wieder eingepfropft werden; denn Jahuwah vermag sie wohl wieder einzupfropfen.

Denn wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum herausgeschnitten und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist, wieviel eher können diese, die natürlichen Zweige, wieder in ihren eigenen Ölbaum eingepfropft werden!“ (Römer 11,16-24; Markierung hinzugefügt.)

Der Ölbaum

Um diese komplexe Passage zu verstehen, müssen wir zunächst ihre Symbole klären.

(1) Heilige Erstlingsgabe / Wurzel: Einige nehmen an, dass die heilige Erstlingsgabe, die alle heiligt, Abraham darstellen soll. Dabei ist es viel wahrscheinlicher, dass damit Jahushua gemeint ist. In der paulinischen Theologie und im ganzen Wort Jahuwahs ist der Messias die einzige Person, die andere heiligen kann (Jesaja 53,2-6; Römer 5,18-19; 10,4; 1. Korinther 1,30; 2. Korinther 5,21; Epheser 5,26; Philipper 3,9; Hebräer 2,11; 11,39-40).

Weitere Belege finden sich in Römer 9,3-4. „Ich wünschte nämlich, selber von Christus verbannt zu sein für meine Brüder, meine Verwandten nach dem Fleisch, die Israeliten sind“. Paulus vergleicht die Trennung von Christus damit, dass Zweige vom Ölbaum „abgeschnitten“ werden, weil Christus durch die Wurzel des Ölbaums symbolisiert wird.

(2) Der wilde Ölzweig symbolisiert einen Heiden. Ein Zweig ist ein junger, biegsamer Spross.

(3) Die natürlichen Zweige symbolisieren die jüdischen Gläubigen. Ein jüdischer Gläubiger ist ein natürlicher Zweig, während ein Heide, der zum Glauben gekommen ist, ein wilder Ölzweig ist.

(4) Der Ölbaum: Ungläubige Juden gehören nicht zum Ölbaum. Sie sind ausgerissen bzw. abgeschnitten. Daher kann Israel als Nation auch nicht als Ölbaum betrachtet werden. Der Ölbaum beinhaltet einen Teil der israelischen Nation, nämlich die Gruppe der Gläubigen.

Der Ölbaum repräsentiert den Überrest Israels. Diese Interpretation wird durch den Zusammenhang, in dem sich der Text befindet, unterstützt. Denn vorher hat Paulus das echte Israel erwähnt (9,6), dann den Überrest Israels (9,27; 11,5) und schließlich die Auserwählten Israels (11,7).

Der Überrest Israels = die Gemeinde

Der Ölbaum repräsentiert den Überrest Israels. Aber symbolisiert er auch die Gemeinde? Der Ölbaum steht für eine Gruppe aus Juden und Heiden, die durch den Messias geheiligt worden sind. Auf dieselbe Weise wird aber auch die Gemeinde beschrieben (Epheser 3,6). Paulus richtete sein Gleichnis vom Ölbaum an nichtjüdische Gläubige (Römer 11,13), also an Mitglieder der Gemeinde. Und dennoch bildet die Gemeinde nicht in jedem Fall den Kontext, in dem das Gleichnis vom Ölbaum zu verstehen ist. In dem Brief des Paulus an die Römer taucht das Wort Ekklesia zuerst in Kapitel 16 auf (Verse 1. 5. 23). Dort bezieht es sich auf die lokalen Versammlungen und nicht auf die Gesamtheit aller Gläubigen. Das Gleichnis vom Ölbaum muss in dem Kontext betrachtet werden, dass der Überrest Israels (Römer 11,5.7) die übergeordnete Gruppe bildet, in die auch die ausgerissenen Zweige wieder eingebunden werden könnten: „...wieviel eher können diese, die natürlichen [Zweige], wieder in ihren eigenen Ölbaum eingepfropft werden!“ (11,24).

Hätte Paulus sein Gleichnis vom Ölbaum auf Angehörige der jüdischen Nation begrenzt, wäre der Überrest Israels eine von der Gemeinde getrennte Gruppe gewesen oder eine besondere Gruppe innerhalb der Gemeinde. Doch da die vormals heidnischen Gläubigen in den Ölbaum eingepfropft werden, ist es klar, dass der Überrest Israels nicht nur aus Menschen jüdischer Abstammung besteht, sondern aus allen Erlösten, die zur Gemeinde gehören.

Das Gleichnis des Paulus vom Ölbaum ähnelt seinem Gleichnis über den menschlichen Leib (Römer 12,4-5; 1. Korinther 12,12f). Der Fakt, dass er beide Gleichnisse kurz nacheinander benutzt (in Römer 11 und 12), weist uns darauf hin, dass er in beiden von derselben Gruppe spricht. Im Gleichnis über den Leib bildet der Messias das Haupt, welches über den Rest des Leibes regiert. In gleicher Weise bildet der Messias die Wurzel des Ölbaums, durch welche der Rest des Baumes ernährt und aufrecht gehalten wird. In beiden Gleichnissen gehören sowohl Juden als auch Nichtjuden zu den Mitgliedern dieser dargestellten Gruppe. Im ersten Gleichnis geht es um jüdische und nichtjüdische Glieder eines Leibes, im zweiten Gleichnis geht es um jüdische und nichtjüdische Zweige.

Doch es gibt noch ein drittes Gleichnis, das sowohl Paulus als auch Petrus nutzen, nämlich das Bild vom „geistlichen Tempel“(Epheser 2,19-22; 1. Petrus 2,4-6). Dort fungiert der Messias als Eckstein und die Erlösten (Juden und Nichtjuden) als lebendige Steine, die einen geistlichen Tempel bilden. Alle drei Gleichnisse (Ölbaum, Leib, Tempel) beziehen sich auf ein und dieselbe Gruppe, die aus erlösten Juden und erlösten Nichtjuden besteht. Diese Gruppe trägt viele Titel. Man nennt sie “Gemeinde“, “Versammlung“, “Leib des Messias“, “Leib Christi“, “Jahuwahs Haushalt“ (in dem die Nichtjuden keine Fremdlinge mehr sind > 1. Timotheus 3,15; Epheser 2,19) und “den Überrest Israels“, in den die nichtjüdischen Gläubigen eingepfropft worden sind (Römer 11,17).

Die Gemeinde: Neu und doch alt

Die Gemeinde ist recht jung. In den Schriften des Neuen Testaments wird sie zuerst in Matthäus 16,18 erwähnt, wo Jahushua davon spricht, seine Gemeinde aufzubauen. In diesem Sinne könnte man sagen, dass die Gemeinde ein neues Projekt ist; insbesondere, weil der Messias diese Gemeinschaft durch sein Versöhnungswerk, seinen Tod und seine Auferstehung begründet. So wie Mose die Ekklesia (die Israeliten) physisch aus Ägypten herausführte, führt der Messias seine Ekklesia in geistlicher Weise aus der „Welt“ heraus. Diese Ekklesia bildet eine geistliche Gemeinschaft, zu der Juden und Nichtjuden gehören.

Die Gemeinde ist außerdem neu, weil mit ihr die Verheißung erfüllt wird, dass der heilige Geist in den Herzen ihrer Mitglieder wohnt (Hesekiel 36,24-26; Jeremia 31,31-33). Eine wunderbare Eigenschaft dieser Gemeinschaft war, dass auch Nichtjuden den heiligen Geist empfingen und daher mit den gläubigen Juden eine Einheit im Geist bildeten (Apostelgeschichte 10,45; 15,8; Epheser 2,19-3,6). Dies erschien vielen seltsam und als Wunder, da der neue Bund und die Ausgießung des heiligen Geistes allein dem Haus Israel und dem Haus Juda verheißen worden war (Jeremia 31,31), nicht den Angehörigen heidnischer Völker. Dieses Ereignis war im Alten Testament noch nicht offenbar geworden, sondern noch verborgen, ebenso wie die Erfüllung der Verheißung an Abraham, durch dessen Samen (der Messias) alle Völker gesegnet werden würden.

Doch im Grunde genommen ist die Gemeinde keine neue Erfindung, da sie einfach der Überrest Israels ist. Einige behaupten, dass der Ölbaum aus dem Gleichnis des Paulus die Kirche darstellt. Wieder andere sagen, damit sei Israel gemeint. Wenn der Ölbaum aber der sogenannte Überrest Israels ist, ist das Dilemma gelöst. Denn es ist die Gemeinde, die den Überrest Israels bildet. Unterstützt wird diese These durch die Rede des Petrus in Apostelgeschichte 3. Petrus predigte zu ungläubigen Juden und erklärte, dass durch Jahushua eine mosaische Prophetie erfüllt worden war:

Mose hat gesagt: Einen Propheten wie mich wird euch der Herr, euer Gott, erwecken aus der Mitte eurer Brüder; auf ihn sollt ihr hören in allem, was er zu euch sagen wird. Es wird aber geschehen, dass jeder, der nicht auf jenen Propheten hört, ausgerottet wird aus dem Volk.“ (Apostelgeschichte 3,22-23; Markierung hinzugefügt.)

Wenn ein Jude zum Glauben an Jahushua kam und im Geist wiedergeboren wurde, wurde er damit ein Mitglied der Gemeinde, des Leibes Christi. Wenn aber ein Jude nicht an Jahushua glaubte, wurde er damit vom Überrest Israels getrennt bzw. abgeschnitten – wie ein Zweig vom Ölbaum. Das zeigt uns, dass nicht nur Paulus, sondern auch Petrus die Gemeinde mit dem Überrest Israels gleichsetzte.

Die These, dass die Gemeinde mit dem Überrest Israels identisch ist, wird weiterhin gestützt durch die Eigenschaften der Stadt, welche die ewige Heimat der Gläubigen sein wird. Ihr Name lautet „das neue Jerusalem“. Ihre Tore tragen die Namen der zwölf Stämme Israels. Ihre Fundamente werden mit den Namen der zwölf israelischen Apostel Jahushuas bezeichnet. Und auf ihrem Thron sitzt Jahushua als König Israels, der selbst ein Israelit ist.

Da die Gemeinde der Überrest Israels ist,

Diese Aussagen, die doch wahr sind, würden alle keinen Sinn machen, wenn die Gemeinde ein ganz neues Projekt wäre, das vom Überrest Israels getrennt oder an dessen Stelle getreten sei.

Fazit

Lange Zeit hat man Israel und die Gemeinde fälschlicherweise voneinander getrennt. Dieser Fehler hatte zwei Ursachen:

(1) Man hat die biblische Unterscheidung zwischen Heiden und Juden anerkannt, jedoch irrtümlicherweise angenommen, dass die Menschen jüdischer Abstammung mit Israel und die Nichtjuden mit der Gemeinde gleichzusetzen sind. Sowohl zu Israel als auch zur Gemeinde gehören jedoch Juden und Nichtjuden. Die Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden darf nicht zu einer Trennung zwischen Israel und der Gemeinde führen.

(2) Wenn man von einem Unterschied zwischen der Gemeinde und Israel geredet hat, hat man leider nicht zwischen Israel als Nation und dem Überrest Israels unterschieden, was allerdings notwendig gewesen wäre. Der Überrest Israels bildet eine geistliche Einheit, die israelische Nation jedoch nicht.

Nichtjüdische Gläubige werden in den Überrest Israels aufgenommen und eingepfropft, da dessen heilige Wurzel der Messias ist. Diese Gläubigen haben den Platz der Juden eingenommen, die nicht geglaubt haben. Dennoch haben die Nichtjuden als Gesamtheit nicht die Juden in ihrer Gesamtheit ersetzt. Paulus schreibt, dass Israel nur zu einem Teil Verstockung widerfahren ist (Römer 11,25), dass aber Jahuwah dazu in der Lage ist, diese Juden wieder zum Überrest Israels zurückzuholen, wenn sie zum Glauben kommen (Römer 11,23). Damit wären sie dann auch Teil der Gemeinde.

Weder die Substitutionstheologie noch die Lehre von der grundsätzlichen Trennung liefert uns ein angemessenes Verständnis der Beziehung zwischen Israel und der Gemeinde. Die Gemeinde hat Israel als Nation nicht ersetzt. Die israelische Nation bildete nie eine geistliche Einheit. In diesem Volk gab und gibt es Erlöste und Ungläubige, wie in anderen Völkern auch. Und Jahuwah hält auch für die Zukunft Prophetien bereit, die er an diesem Volk erfüllen möchte. Die Gemeinde hat auch den Überrest Israels nicht ersetzt. Paulus betrachtete sich selbst als Angehörigen dieses Überrestes (Römer 11,1-5), als Angehörigen Christi (Römer 9,3) und als Mitglied der Gemeinde (Epheser 5,29-30). Das alles zeigt uns, dass die Gemeinde, der Leib Christi und der Überrest Israels synonym für einander stehen.

Daher ist die Gemeinde nicht vom Überrest Israels zu trennen. Beides ist ein und dasselbe. Durch den Glauben an Christus sind die nichtjüdischen Gläubigen nicht länger von der Bürgerschaft Israels und den Bündnissen der Verheißung ausgeschlossen (Epheser 2,12). Sie sind in die Gemeinde aufgenommen worden; sie sind eingepfropft in den Ölbaum, der dem jüdischen Volk vertraut, den Heiden aber fremd war. Aus diesem Grund ermahnt Paulus auch die nichtjüdischen Leser, dass sie nicht arrogant und stolz auf andere herabsehen sollen, nur weil sie selbst jetzt zur Gemeinde gehören (Römer 11,20).


John Gay: Remnant Theology: A different Perspective on the Church and Israel. http://www.leaderu.com/theology/remnanttheo.html Eig. dt. Übersetzung.

*(1) Der Begriff “Gott“ ist im gesamten Text durch den Namen des himmlischen Vaters ersetzt worden.

* (2) Der Name “Jesus” ist im gesamten Text durch “Jahushua“ ersetzt worden.